Teilnahme am Internet-Blackout 2019

Wer am heutigen Donnerstag, den 21.03.2019 auf mein Blog gegangen ist, der hat relativ wenig gesehen. Ihm hat sich folgendes Bild geboten:
Screenshot Block Blackout 2019Nun, warum so eine drastische Maßnahme?
Es war eine Aktion, welche ursprünglich durch die deutschsprachige Wikipedia losgetreten wurde und welche auf die möglichen Folgen des geplanten EU-Urheberrechts hinweist.

Was ist politisch passiert?
Auf EU-Ebene soll ein harmonisiertes Urheberrecht eingeführt werden, gegen zwei Artikel davon (in der Hauptsache) gab es schon lange Zeit zuvor Protest:

  • Artikel 11 soll ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger einführen, mit dem diese von Seitenbetreiber auch kleinste Vorschauen von Content bezahlt bekommen müssen. Solche Gesetzgebung gab es schon in Deutschland, die Folge war, dass Google News beispielsweise keine Inhalte von dt. Medien mehr anzeigte – dann wollten die Verlage sie dazu zwingen, dass die Inhalte angezeigt werden, weil man eine Benachteiligung im Wettbewerb sah. Schließlich wurde das Gesetz wieder abgesägt. In Spanien gab es einen ähnlichen Versuch, auch dort ist er gescheitert.
  • Artikel 13 verpflichtet Plattformen dazu, Lizenzen mit Rechteinhabern von urheberrechtlich geschützten Werken abzuschließen. Es wird nicht definiert, mit welchen Inhabern dies geschehen soll (den Urhebern selbst, den Verlegern; wie sieht es mit Werken von Einzelpersonen aus, die komplett ohne einen kommerziellen Verwerter agieren?). Sollte es keine Lizenzierung geben, so haftet die Plattform hierfür unmittelbar. Die einzige Form, sich hiergegen zu schützen (auch wenn es nicht explizit im Gesetz erwähnt wurde) wären fehleranfällige Content-Filter, die jeden einzelnen Upload filtern. Von der Regelung sind Parodien, Satire, Rezensionen, Kritik oder Zitate nach dem aktuellen Zitatrecht ausgenommen – aber wie soll ein Filter das erkennen können? Und vor allem – wie soll sich ein kleines Unternehmen einen solchen Filter leisten können? Nach Schätzung des Bundesdatenschutzbeauftragten müssten kleine Plattformen sich die entsprechende Technologie bei großen amerikanischen IT-Unternehmen kaufen, welche für die Entwicklung Summen im teils dreistelligen Millionenbereich gezahlt haben. Ein großer Teil des Datenverkehrs im Internet würde damit über wenige Konzerne im US-Amerikanischen Raum laufen und hätte somit unabsehbare Folgen für die Meinung-, Kunst- und Pressefreiheit.

Was ist bei der Wikipedia passiert?
Die deutschsprachige Wikipedia (bzw. die Community) hat ein Meinungsbild (eine Ur-Abstimmung) unter den aktiven Autoren initiiert, hierbei haben 2/3 der Teilnehmenden für eine Teilnahme an einem Protest gestimmt. Im zweiten Schritt wurde über die Art des Protests entschieden, hier haben 4/5 für eine Komplettabschaltung gestimmt – die erste Abschaltung der dt. Wikipedia seit 2001. Hierbei handelt es sich um eine reine „Solidaritätsbekundung“ mit anderen Seiten, da Wikipedia ausdrücklich von Artikel 13 (nicht aber von Artikel 11) ausgenommen ist.
Screenshot Wikipedia-AbschaltungUnd dann?
Screenshot Twitter Internet-BlackoutNach Informationen, welche ich gefunden habe, war die Abschaltung ursprünglich für den Samstag, 23.03.2019 geplant. An diesem Tag finden europaweit Demonstrationen gegen Artikel 11 und 13 statt. Jedoch wurde der Termin dann auf den 21.03.2019 vorverlegt, um auf die Demonstrationen hinweisen zu können.
Relativ schnell haben sich andere Seiten und auch Medien angeschlossen, so beispielsweise die Forderung, in Social-Media-Accounts doch ein schwarzes Bild zu setzen oder eine Abschaltung der eigenen Seite durchzuführen.
Solche Abschaltungsdiskussionen habe ich zuerst bei Freifunk Franken mitbekommen, später hat sich das dann auch auf Schaffenburg ausgeweitet. Das Schaffenburg-Wiki wurde plangemäß abgeschaltet, die Webseite habe ich dann später noch nachgezogen. Bei meinen Seiten habe ich mich auf die nicht-Amateurfunk-Seiten beschränkt, da ich den Amateurfunk als explizit unpolitisches Hobby außen vor lassen wollte.
Screenshot Schaffenburg Internet-Blackout

Breiter Protest auch außerhalb des Netzes
Obwohl dieses Thema doch etwas kompliziert und den Leuten nicht unbedingt leicht zu vermitteln ist, gibt es durchaus großen Protest (der noch einmal zunehmen dürfte, nachdem durch die Abschaltung der Wikipedia einige Medien ziemlich groß über das Thema berichteten).
In Deutschland kritisieren mittlerweile Parteien bis hinauf in die Bundesregierung den Vorstoß der EU, Wissenschaftler warnen davor, IT-Unternehmen fürchten um die digitale Zukunft, Foren sehen schwarz für den weiteren Betrieb, der Bundesdatenschutzbeauftragte sieht große Probleme und schließlich – das dürfte wohl für die den Entwurf verteidigenden Politiker der größte Schlag ins Gesicht sein – der UN-Sonderbeauftragte für die Meinungsfreiheit kritisiert den Entwurf. Weiterhin gibt es eine der bisher größten Petitionen mit bisher ca. fünf Millionen Teilnehmern sowie Unterstützung von 145 Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen, Wirtschafts- und IT-Verbände (darunter Bitkom, der deutsche Start-Up-Verband oder der Chaos-Computer-Club), Internet-Pioniere wie Tim Berners-Lee, Journalistenverbände sowie auch Kreativschaffende.

Was ist bei dem ganzen wichtiges verloren gegangen?
Was leider bei dem ganzen Thema unter dem Radar bleibt, ist die „EU-Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“ – was sich erst einmal nach einem sinnvollen Gesetz anhört, ist es bei genauem Lesen nicht. In Artikel 6 werden proaktive Maßnahmen gefordert, beispielsweise müssen Inhalte gelöscht werden, wenn der Plattformbetreiber vermutet, dass es sich um terroristische Inhalte handeln könnte. In Artikel 4 wird dem Hoster auferlegt, dass er Löschaufforderungen von Seiten des Staates innerhalb von einer (!) Stunde nachkommen muss. Dies ist von kleinen Plattformen mit wenigen Mitarbeitern oder von privat/ehrenamtlich betriebenen Foren und sonstigen Plattformen so nicht leistbar und würde auch wieder auf Filter oder die Einstellung der Dienste hinauslaufen. Man kann nur hoffen, dass Artikel 11 und 13 der Urheberrechtsrichtlinie gekippt werden und dass dies die Politiker bei Artikel 4 und 6 der Terrorschutz-Richtlinie zum Umdenken bringt.

Autor: Florian

Blogger, parteiloser Pirat, Fachinformatiker, Selbstständiger, Feuerwehrmann, Funkamateur, Notfunker, Zivil- und Katastrophenschützer | Call: DG1IUK

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