So, und wieder haben wir uns politisch etwas mehr China oder der DDR angenähert. Nach dem wir schon einen ziemlich perfekten Überwachungsstaat haben (siehe z. B. Eintrag vom 31.12.2007 oder www.vorratsdatenspeicherung.de), wird jetzt auch die Zensur immer weiter ausgebaut. Hierfür haben 5 große Provider (Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Hansenet/Alice, Telefonica/O2 und Kabel Deutschland) auf drängen der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen einen Vertrag unterzeichnet, in dem sie sich verpflichten, Internetseiten zu sperren. Diese Internetseiten werden in einer geheimen, täglich überarbeiteten Liste vom BKA herausgegeben. Als Grund für diese Sperren wurde angegeben, dass der Zugriff auf Kinderpornografie verbreitende Seiten unterdrückt werden müsst um diese Kinder zu schützen. Dass dies nur ein vorgeschobener Grund sein kann, müsste jedem auffallen, der sich nur ein kleines bisschen tiefer mit der Materie Netzwerke/Internet auskennt oder damit beschäftigt. Die Sperre soll auf Basis von DNS-Blacklists und DNS-Umleitungen realisiert werden; um diese Sperre zu umgehen, reicht es einfach sich einen alternativen DNS-Server auszusuchen (z. B. Server im Ausland) oder selbst einen Server daheim aufzusetzen (z. B. als virtuelle Linux-Maschine auf dem eigenen Computer), welcher die Namensauflösung rekursiv übernimmt, in beiden Fällen wird der DNS-Server des Providers umgangen.
Das eigentliche Problem ist allerdings nicht, dass der Filter leicht umgangen werden kann, sondern dass man so die Bevölkerung langsam auf weitere Zensurmaßnahmen „hinschieben“ kann. Wenn so etwas langsam geschieht und unter dem Deckmantel eines guten Zwecks, werden wohl die wenigsten etwas dagegen sagen. Und es gab auch schon aus verschiedenen politischen Lagern verschiedene Vorschläge, welche anderen Seiten gesperrt werden sollen.
Zusammenfassend kann man nur feststellen, dass das Bundesverfassungsgericht hoffentlich bald feststellen wird, dass diese Zensur dem Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland widerspricht. Eine abschließende Frage wäre dann noch, warum die Zensurpflicht nicht für staatliche und sehr kleine Provider gilt.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Heise Online – 20.11.2008 – Bundesfamilienministerin fordert Netzsperren gegen Kinderpornographie
- Heise Online – 17.04.2009 – Fünf Provider unterzeichnen Vertrag zu Kinderporno-Sperren
- Golem.de – 18.04.2009 – Staatliche Provider müssen keine Internetsperren errichten
- Weitere ausführliche Seite der Fachzeitschrift c’t
- Wikipedia-Artikel „Zensur im Internet“
hey, guter Eintrag.
Auf jeden Fall braucht man Aufmerksamkeit… Die meisten Leute interessiert das Thema anscheinend gar nicht :/
Die von der Leyen hat ja schon den Spitznamen Zensursula… zurecht 😉
@Stefan:
Hatte letztens mit der technischen Abteilung der Telekom telefoniert (ging um ein DNS-Problem und ich hatte vermutet, dass es vll mit Problemen auf Seiten der Telekom zusammen hängt) und dabei ist auch kurz das Thema Zensur zur Sprache gekommen. Dabei hat der Mitarbeiter auch von der netten „Zensulla“ gesprochen ^^.
Also die wird ebenso wie ein gewisser Minister, der auf der sogenannten Schäublone abgebildet ist, ihren schlechten Ruf in der IT-Gemeinschaft nicht mehr los bekommen.
Naja, hoffen wir auf eine baldige, positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Übrigens haben unsere netten öffentlich-rechtlichen Rundfunksender es so dargestellt, als wäre der CCC für die Vorratsdatenspeicherung, daher überlegt der CCC jetzt, ob sie auf einer Gegendarstellung bestehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat zum Glück sehr fähige Richter. In DIe hab ich ein gewissen Vertrauen ;). Dass die Ö-R von dem Thema gar keine Ahnung haben, pberascht mich nicht…. bei einem Altersschnitt von vielleicht 50 ^^.
@Stefan:
Ja, glücklicherweise sind die Richter fähig, auch wenn das manche Politiker stört (Heise veröffentlichte am 11.03.2009 eine Tickermeldung, nach der Schäuble das Bundesverfassungsgericht kritisierte, weil es viele seiner Gesetze behinderte. Siehe http://www.heise.de/newsticker/Schaeuble-kritisiert-Bundesverfassungsgericht–/meldung/134394).
Und auch wenn die öffentlich-rechtlichen sich nicht in der Materie auskennen, so müssen sie sich doch gut genug informieren bevor sie den Standpunkt einer Vereinigung zu einem Thema darstellen.
Und: Bei der Europawahl Piratenpartei wählen…Wenn die über 0.5% kriegen die staatliche Parteienfinanzierung.. Dann geht das Geld endlich mal an welche, die es sich verdienen.
Hmm… an sich währe es eine gute Sache, wenn die Piratenpartei öffentlich finanziert werden würde. Allerdings… selbst wenn sie über die 0,5% kommen, haben sie ja noch keine Macht, dafür müssten sie doch auch bei dieser Wahl über 5% kommen oder? Und eine Partei die bei kleineren Wahlen auf grade mal 0,5% kommt (Wahl des 18. hessischen Landtags) wird bei der Europawahl nicht die 5%-Hürde knacken oder? Traurig aber wahr…