Diesen Artikel gibt es als Podcast als OGG/Vorbis.
So, eigentlich wollte ich heute einen Blog-Eintrag betreffend der erneuten Diskussion über die Einführung einer Internet-Zensur (diesmal über den Weg des Glücksspiel-Staatsvertrags) schreiben; allerdings möchte ich erst mal über ein Thema bloggen, welches mir immer wichtiger wurde, je klarer abzusehen war, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wird. Den letzten Anschub für diesen Post hat mir schließlich der Reaktorunfall in Fukushima gegeben, welcher heute dann auf Stufe 7 (Katastrophaler Unfall / Major accident) der INES-Skala (International Nuclear Event Scale) hochgestuft wurde.
Zuerst einmal kurz zu der Frage, warum habe ich im Titel sowohl das Wort „Zivilschutz“ als auch das Wort „Katastrophenschutz“ verwendet? Ist dies nicht das gleiche? Die Antwort: Nein. Obwohl es oft gleichgesetzt wird, sind dies zwei verschiedene Sachen. Der Katastrophenschutz ist die Gefahrenabwehr im Katastrophenfall und Aufgabe der Länder (Art. 30 und Art. 70 GG); der Zivilschutz ist die Gefahrenabwehr im Spannungs- oder Verteidigungsfall und ist Bundesangelegenheit (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG). So ist die Feuerwehr beispielsweise in den Katastropenschutz eingebunden (die Feuerwehrgesetze sind ebenso Ländersache), allerdings gibt es auch Feuerwehreinheiten welche für den Zivilschutz aufgestellt wurden, diese rekrutieren sich aus der „normalen“ Feuerwehr, sie werden aber mit Bundesmitteln ausgestattet (z. B. viel Material, welches die Bundeswehr genauso hatte, früher die typisch orangenen Fahrzeuge für die ABC-Abwehreinheit etc.) diese Bundesmittel dürfen aber auch von den Ländern im Katastrophenfall verwendet werden (bzw. auch von den Feuerwehren im normalen Einsatzdienst). Gleichzeitig gibt es mit dem THW eine Zivilschutzeinheit welche vom Bund aufgestellt und bezahlt wird aber auf Anforderung von zuständigen Stellen (z. B. Polizei, Länder, Landkreise, Städte, Gemeinden, Feuerwehr) im Katastrophenschutz oder normalen Einsatzdienst Amtshilfe leisten kann.
Wie man hier sieht, ist das ganze schon ziemlich verflochten und egal wer die Einheiten aufstellt, Gesetze macht und das Geld gibt, am Ende kommt das richtige raus ;-).
Jetzt kommt aber der Knackpunkt… sowohl die ABC-Züge der Feuerwehr (Bundeseinheit) als auch das THW und die Zivilschutzteile der DLRG, des DRK, der Johanniter, des ASB, der Maltheser und verschiedener Regieeinheiten bestehen (teilweise zu einem sehr großen Teil) aus vom Wehrdienst freigestellten Helfern. Das heißt, diese Helfer leisten ihren Wehrdienst nicht bei der Bundeswehr ab sondern leisten nach § 13a Wehrpflichtgesetz bzw. § 14 Zivildienstgesetz mindestens 4 Jahre ihren Dienst in einer der oben genannten Einheit. Hierzu haben sie sich verpflichtet. Die Helfer müssen jährlich eine Mindestanzahl an Stunden erreichen; erreichen sie diese nicht, so erfolgt der Ausschluss aus der Einheit, welcher an das zuständige Kreiswehrersatzamt gemeldet wird und diese Einrichtung zieht solche Personen dann besonders gern zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein.
Nun kam es wie es kommen musste… wie lange vorher angekündigt wurde die Wehrpflicht ausgesetzt… und gleich merkte man eine Ausdünnung weil Leute nicht mehr kamen, die sonst irgendwie zu den Übungen usw. erschienen sind auch wenn sie eigentlich gar keine Zeit hatten. Es bestand ja keine Gefahr mehr, zur Bundeswehr zu müssen… Teilweise reicht das Personal nicht mal mehr um eine Gruppe zusammen zu bekommen, um den Dekontaminationslastkraftwagen Personen zu besetzen – ob so im Einsatzfall das Duschzelt etc. betrieben werden könnte ist fraglich.
Außerdem wurde den Einheiten schon länger massiv das Geld gekürzt. Vom Bund kommt eigentlich nichts bzw. so gut wie nichts mehr. Das meiste Material ist auf dem Stand Ende des kalten Krieges. Durch die Angst vor Terroranschlägen nach dem 11.09.2001 wurde noch einmal Material nachgeliefert aber das wars dann größtenteils. Es ist geplant, für die entsprechenden Einheiten der Feuerwehr ein Löschgruppenfahrzeug (Bezeichnung LF KatS) zu beschaffen, ob dies jedoch überhaupt geschieht und wann, ist unklar.
Zu einem weiteren Personalmangel könnte es übrigens auch direkt durch den Bundeswehrrückbau kommen, da dann natürlich auch die Wehrpflichtigen nicht mehr zur Verfügung stehen, auf die man z. B. bei einer Hochwasserkatastrophe zurückgreifen kann.
Abschließend wäre zu sagen, dass man das Problem lösen könnte, indem man z. B. als Ersatz für den Wehrdienst eine verpflichtende Zeit im Zivil-/Katastrophenschutz einführt.
Alternativ könnte man über ein Modell ähnlich der Schweiz nachdenken. Hier erfolgt der Wehrdienst nicht am Stück sondern der Wehrpflichtige muss jährlich zu Kursen erscheinen, bis er eine dienstgradbezogene Anzahl von Tagen erreicht hat (bei Mannschaftsdienstgraden höchstens 262 Tage). Alternativ besteht die Möglichkeit der Ableistung am Stück. Ist man nicht wehrdienstfähig, so ist man eventuell Zivilschutzdienstfähig und ist dann im Zivilschutz verpflichtet. In einer Deutschen Umsetzung könnte man die Regelung so abändern, dass der Dienst im Katastrophen-/Zivilschutz als Ersatzdienst für den Wehrdienst gilt (den Zivildienst als Wehrersatzdienst gibt es in der Schweizer Version auch und diesen würde ich auch in eine deutsche Umsetzung übernehmen allerdings ist dieser ja nicht das Thema dieses Eintrags). So hätte man viele Soldaten zur Verfügung, welche immer auf dem aktuellen Stand der Technik sind. Deutschland könnte sich die Mehrausgaben für eine Berufsarmee sparen und hiermit den Katastrophen- und Zivilschutz wieder richtig finanzieren. Im Endeffekt für alle eine Win-Situation.
Und wer sich denkt „braucht man doch heute eh nicht mehr“ oder „warum sollte ich da was machen, es gibt doch andere die das machen und die Feuerwehr / das THW reichen doch“ – denkt darüber nach… vielleicht braucht ihr diese Einheiten schneller als ihr denkt (auch wenn ich das für keinen hoffen will) und was wäre dann, wenn nicht genug Personal/Geld da ist?
Gefahren gibt es immer mehr. Zwar besteht die Situation nicht mehr, dass die Sowjetunion einmarschiert aber wir haben Infrastrukturen, welche immer verletzlicher werden. Zum Beispiel stellen wir uns mal die Situation vor, dass jetzt alle Deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet werden, es wird massenhaft Strom aus dem Ausland bezogen. Eine oder mehrere dieser Auslandsleitungen bricht ab und die restliche bezogene Energie reicht nicht mehr aus um einen Bereich mit Strom zu versorgen. Es kommt zu einem Dominoeffekt und einem mehrere Bundesländer betreffenden oder bundesweiten Blackout der evtl. noch mehrere Tage anhält… reichen dann die in Deutschland getroffenen Maßnahmen noch? Ist genug Diesel gebunkert um die Notstromgeneratoren der Leitstellen zu versorgen? Funktioniert die Warnung und Information der Bevölkerung noch? Warum wurde der BVS (Bundesverband für den Selbstschutz) geschlossen und die Aufklärung der Bevölkerung hiermit gestoppt? Mal ehrlich… wie viele haben ein Radio, welches unabhängig von einer Stromquelle ist (z. B. Kurbel oder Solarzelle)? Wer hätte genug und passende Vorräte eingelagert um sich im Notfall auch mal mehrere Tage ohne Strom oder Gas (die Pumpen laufen auch mit Strom…) versorgen zu können? Wer hätte ein Telefon, über das jederzeit sicher ein Notruf abgesetzt werden kann? (Hierbei zählen Mobiltelefone nicht, da die Basisstationen meist nicht/nicht lange unabhängig des Stromnetzes funktionieren, hat mein eine Telefonanlage oder ein schnurloses Telefon zu Hause und keine eigene Notstromversorgung hat man auch ein Problem und hat man einen sogenannten Next Generation Anschluss (Internet-Telefonie) hat man ganz Pech, da die Internet-Zugangspunkte auch meist keine Notstromversorgung haben und der DSL-Router daheim meist auch nicht…)
Viele, viele Fragen… aber ob je darüber diskutiert wird? Oder tauchen diese Fragen vll erst dann auf, wenn es den großen Crash gab?
Ich hoffe, ich habe mit diesem zugegebenermaßen sehr langen und vielleicht stellenweise etwas wirren Text den einen oder anderen zum Nachdenken gebracht… Ich habe einfach versucht so viel zu dieser Thematik wie möglich in einen einzigen Blogpost zu bekommen… Und es gibt viele Möglichkeiten, warum wir den Zivil-/Katastrophenschutz mal brauchen könnten. Ich rechne hierbei weniger mit einer kriegerischen Konflikt sondern eher mit Sturmfluten, evtl. Erdbeben, Unfällen mit NRBC-Stoffen (Nuclear, Radiological, Biological, Chemical) und ähnlichem.
2 Gedanken zu „Aussetzung der Wehrpflicht – Gefahr für den Zivil-/Katastrophenschutz?“